(ksko) Dieses eine Mal war Tahmineh K. (Name geändert) ungeschminkt. Sie wusste, sie würde weinen müssen, wenn gleich die Leute vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in ihrem Leben herumwühlen, das für eine 26-Jährige schon ziemlich angehäuft ist mit dunklen Begebenheiten. Tamineh sitzt an diesem Tag mit Neele Lautner im BAMF, und es ist für sie keine Frage, dass sie die Befragung aushalten wird, denn auf dem Spiel steht ihr Bleibestatus. Tahmineh K. ist stark und gibt nicht leicht auf. Die Tränen wird sie jedoch nicht unterdrücken, also lohnt das Schminken nicht.
Die Eltern der jungen Kurdin wurden hingerichtet
„Subsidiär geschützt“, Neele Lautner seufzt über das Ergebnis der Befragung. Es genügt ihr nicht. Tahmineh K. ist Kurdin und aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Ihre Eltern wurden hingerichtet, der IS hat eine Schwester verschleppt. Sie selbst gilt bei den Behörden nicht als verfolgt, also gibt es für sie bislang keine Chance auf Asyl oder Anerkennung als Geflüchtete, sondern nur eine Aufenthaltserlaubnis, die auf zunächst ein Jahr beschränkt ist. „So ein Quatsch. Wenn du als Kurde im Irak verfolgt wirst, bist du tot. Es gibt kein ,Dazwischen‘.“ Neele Lautner kann es nicht fassen, wie viel Zynismus an behördlichen Entscheidungen haftet, die das Dasein eines Menschen bestimmen. Sie kennt die Gesetze besser als viele andere, was die Sache nicht einfacher macht. Die 27-Jährige ist Juristin und schreibt zurzeit an der Heinrich-Heine-Universität ihre Doktorarbeit über ein verfassungsrechtliches Thema. „Ich bin ein großer Fan des Rechtsstaates und halte eine unabhängige Justiz für wichtig. Schon früh wollte ich sehr gern ein Teil davon sein.“
Die junge Juristin Neele Lautner schreibt an der Heine-Uni-ihre Doktorarbeit. In ihrer Freizeit steht sie einer 26 Jahre alten Geflüchteten zur Seite. (Foto: AWO Düsseldorf)
Neele Lautner und Tamineh K. sind Freundinnen geworden
Tamineh K. hat sie vor zwei Jahren in der AWO-Flüchtlingsunterkunft an der Schimmelpfennigstraße in Benrath kennengelernt. Der Kontakt kam über Susanna Schön von der Initiative Ehrenamt der AWO zustande, die Neele Lautner angeschrieben hatte, nachdem es ihr nicht mehr genügte, sich auf Demonstrationen für die Rechte Verfolgter einzusetzen. Sie suchte nach einer regelmäßigen Aufgabe mit einer Alltagsstruktur. „Ich habe ein gutes Leben, genug Geld und Eltern, die für mich da sind“, sagt sie. „Von diesem Glück wollte ich etwas abgeben.“ Ein Entschluss, für den sich Neele Lautner gut vorbereitete, etwa mit Fortbildungen der AWO. Wenn sie unsicher ist, ruft sie Susanna Schön an. „Das war in den ersten Wochen ganz schön oft“, sagt die junge Frau. „Aber die Mitarbeiterin nahm und nimmt sich immer Zeit für meine Fragen.“
Tahmineh hat einen Universitätsabschluss, ist in Deutschland jedoch noch ohne Arbeit
Die Patenschaft für Tahmineh K. ist sehr schnell zu einer Freundschaft auf Augenhöhe herangewachsen. Die junge Frau, die im Irak ein Studium der Agrarwissenschaften erfolgreich absolviert hat, hatte Neele Lautner deutlich gemacht, dass sie keine andere Kommunikationsebene akzeptieren würde. Sie besteht darauf, dass abwechselnd gezahlt wird, wenn sie ausgehen. „Ich hatte anfangs damit Probleme“, sagt Neele Lautner, „ich habe doch viel mehr Geld als Tahmineh.“ Also musste sie die Gleichberechtigung lernen. Die junge Irakerin hat ihr dabei geholfen, ohne es zu wissen, indem sie ist, wie sie ist: selbstbestimmt. Nein, an einem Spaziergang im Botanischen Garten habe sie kein Interesse, sagte sie ihrer Patin bei einer der ersten Begegnungen. Tahmineh K. hat so viel erlitten und verloren, woran soll sie glauben, wenn nicht an die eigene Stärke? Und so lässt sie sich auch von der seit Monaten ergebnislosen Wohnungssuche nicht beirren. Über die finsteren Äußerungen von Hausbesitzern und Verwaltern weint nicht Tahmineh sondern Neele. „Der Rassismus, der hier zutage tritt, ist unvorstellbar“, sagt Neele Lautner. „,Mit dem Namen nicht!‘ ist noch einer der harmlosen Sprüche.“
Zeitweise sitzen die beiden jungen Frauen täglich in der Stadtbücherei am Computer und suchen nach einer Ausbildungsstelle und vor allem nach einer Wohnung für Tamineh. Neele Lautner hofft, dass sie eines Tages doch noch Glück haben. „Dann fällt der produktive Teil unsere Bindung weg und es bleibt die Freundschaft.“ Ihr liege dasjenige Engagement, das Menschen langfristig helfen kann, mit dem Leben besser auszukommen.
Wer sich ehrenamtlich engagieren möchten, kann sich gerne bei der Initiative Ehrenamt der AWO melden:
Susanna Schön, Tel. 0211 60025-172, E-Mail: susanna.schoen@awo-duesseldorf.de