(ksko) Barzan G. ist Mitte 20. Er lebt seit zwei Jahren in Deutschland und wohnt in einer Flüchtlingsunterkunft in Düsseldorf, was, das weiß er, nicht die ideale Lösung ist, aber er nimmt es hin. Er ist aus dem Irak geflüchtet, und das Bemerkenswerte an dem jungen Mann ist, dass er sich trotz aller Widrigkeiten seinen Optimismus bewahren konnte. Ganz ohne Hilfe hat er sich die Grundkenntnisse der deutschen Sprache beigebracht und schmiedet Zukunftspläne. Im Irak, wo er die Schule bis zur 12. Klasse besuchte, hat er Fußball gespielt, sogar in einer Mannschaft. Kindern in Deutschland Fußball beibringen, ja, das würde ihm gut gefallen. Er mag Mathe, kann sich aber viele Berufe für sich vorstellen. Barzan G. gelingt, was besonders schwerfällt, wenn der Aufenthaltsstatus ungeklärt und die Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen ausgeschlossen ist – er setzt seine Hoffnung dem Nichtstun entgegen. Dem Warten darauf, dass es vielleicht von selbst besser wird. Vielen Geflüchteten macht der Leerlauf zu schaffen, und nicht jeder der teils schwer traumatisierten Menschen findet eine konstruktive Antwort auf die Langeweile.
Deswegen war Barzan G. sofort angetan von der Idee, an dem neuen Projekt „Startchance“ der Arbeiterwohlfahrt (AWO) teilzunehmen. Der AWO Kreisverband hat es mit Unterstützung von Aktion Mensch und der AWO-Sozialstiftung auf den Weg gebracht. „Das Programm bietet jungen Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, eine Perspektive. Das ist in dieser Form in Düsseldorf und Umgebung einmalig“, sagt Marion Warden, Kreisgeschäftsführerin der AWO Düsseldorf.
Künstler, Architekt und Tischlermeister Robert Wilmers (rechts) arbeitet in den Werkstätten der AWO Berufsbildungszentrum gGmbH an der Münsterstraße mit Bazra G. an der Holzbank. Der 25-Jährige gehört zu der ersten Teilnehmergruppe des neuen AWO-Angebots „Startchance“. (Foto: kws)
Junge Geflüchtete im Alter von 16 bis 27 Jahren erhalten die Chance, in den Werkstätten der AWO Berufsbildungszentrum gGmbH zu arbeiten. Dort lernen sie nicht nur handwerkliches Know-How, sondern auch die deutsche Sprache. Sie erfahren Details über kulturelle Hintergründe und den deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt und lernen praktische Dinge wie die Nutzung von Bus und Bahn. Zum Abschluss der Qualifizierung nach vier Monaten erhalten die Geflüchteten ein Zertifikat, das, sobald sich der Aufenthaltsstatus ändert, den Zutritt in die deutsche Arbeitswelt erleichtern soll.
„Es sollte nicht um gute oder schlechte Bleibeperspektiven gehen, sondern um die Integration von Menschen, die unabhängig vom Ausgang ihres Asylverfahrens sowieso lange in Deutschland verweilen werden“, betonte Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integration Düsseldorf, in ihrem Grußwort im Rahmen der Auftaktveranstaltung am Donnerstag, 24. Mai 2018.
Die „Startchance“-Teilnehmenden werden nicht ausgewählt, sondern melden sich selbst. Sie müssen wollen – das ist die einzige Voraussetzung neben der formalen Vorgabe des nichtgeklärten Aufenthaltsstatus‘. Nach Auskunft von Manfred Abels, Kreisvorsitzender der AWO Düsseldorf, sind die jungen Geflüchteten sehr scheu und reagieren zunächst zurückhaltend auf Hilfsangebote. „Aber diejenigen, die bei ,Startchance‘ mitmachen, sind begeistert. Und glücklich, dass sie Deutsch lernen.“