Gruppenangebot „Under Pressure – Stress lass nach!“ der Jugendberatung
Reportage
Ausgabe 3/2024
"Viele merken gar nicht, wie viel sie machen"
Einen Workshop für Jugendliche mit einer Achtsamkeitsübung einzuleiten, sei schon eine Herausforderung, gesteht Jugendberaterin Manuela Schönrath-Becker gerne ein. Für viele sei das erstmal neu und eine kleine Überwindung, aber es lohne sich. Die meisten meldeten zurück, wie gut ihnen das tue. Die Jugendberatung (JUB) der AWO Familienglobus gGmbH bietet regelmäßig den Gruppenkurs „Under Pressure – Stress lass nach!“ für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jahren an. Ziel ist, jugendgerecht Wissen und Strategien im Umgang mit Belastungen zu vermitteln. Der Workshop findet an vier zweistündigen Terminen statt. Der letzte Durchgang im Sommer war wie immer gefragt und nach kurzer Zeit belegt.
Die acht Teilnehmer*innen haben sich zusammen mit Gruppenleiterin Manuela Schönrath-Becker und Praktikantin Betül Balci in vertrauensvoller Atmosphäre mit dem Thema Stress und seiner Bewältigung auseinandergesetzt. Das heißt hier zuallererst: ihn wahrzunehmen. Denn das Programm vermittelt keine Patentrezepte. Es geht darum, auf sich zu achten und in sich hinein zu spüren. „Viele Bedürfnisse bekommen wir oft gar nicht mit, zum Beispiel den Bedarf nach Entspannung“, sagt Manuela Schönrath-Becker. Der Workshop sei eine Einladung, inne zu halten und sich zu fragen: Was ist gerade los mit mir? Was fühle ich, welche Gedanken habe ich?
Nach dem Kennenlernen nähern sich die Teilnehmer*innen praktisch und theoretisch dem Thema. Neben der Achtsamkeit bekommen aktivierende Übungen, spielerische Elemente, Austausch und Wissensvermittlung Raum. Wie verstärkt sich Stress? Worauf kann ich Einfluss nehmen? Was können förderliche Gedanken sein? „Psychoedukation ist wichtig“, sagt Manuela Schönrath-Becker. „Wir erklären genau, was bei Stress passiert und wie körperliche Reaktionen aussehen. Zu erkennen, dass uns das allen automatisch passiert, ist bereits entlastend. Das hören wir von den Jugendlichen ganz oft.“
„Fear of missing out“
Beim Kennenlernen werden viele Gemeinsamkeiten entdeckt, erzählt Betül Balci. Die Studentin Sozialer Arbeit hat in der JUB ein Praktikum gemacht und ist mit 22 Jahren nah an der Lebenswelt der Teilnehmenden. Auch sie kennt Stress, den sie offen thematisiert. „Ich habe mir zu Beginn Sorgen gemacht, wie die Teilnehmenden mich wahrnehmen und wie sie sich untereinander verstehen werden, aber es ging alles viel leichter als ich dachte.“ Stress entsteht eben auch durch Erwartungen an sich selbst oder das, was man denkt, was andere von einem erwarten. Leistungsdruck und der Vergleich mit anderen seien häufige Themen, sagt JUB-Leiterin Andrea Rieländer. Dabei spielten soziale Medien eine große Rolle. „fomo“, ergänzt Betül Balci, „fear of missing out, die Angst, etwas zu verpassen.“ Freizeitstress kann zur Belastung werden. „Ich habe in den Workshops festgestellt, dass viele gar nicht merken, wie viel sie machen und sich fragen, wie es sein kann, dass sie sich gestresst fühlen“, so die Studentin.
Im Krisenmodus aufgewachsen
Die Stressoren seien oft auch familiäre und finanzielle Probleme sowie gesellschaftliche und globale Ereignisse, sagt Andrea Rieländer. „Viele Jugendliche, die zu uns in die Beratung kommen, kennen nichts anderes als den Krisenmodus – von Corona über die Klimakrise bis zum Krieg in der Ukraine. Sie haben schon viele Belastungen und Einschränkungen erlebt, in einer Lebensphase, in der sie noch besonders verletzlich sind. Viele fühlen sich von den Eltern, der Schule, den Institutionen und der Politik nicht ernst genommen und nicht gehört. Genau dies zu tun, sehen wir als eine unserer wichtigsten Aufgaben.“
Entspannung und Nichtproduktivität
Der achtsame Umgang mit sich, den eigenen Grenzen und mit anderen ist eine der Kernbotschaften, die hier vermittelt werden. Andrea Rieländer erklärt: „Viele Jugendliche empfinden, dass die Anforderungen an sie sehr hoch sind und ich finde, das ist auch so. Produktivität hat einen extrem hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Es wird vermittelt, dass wir nur etwas wert sind, wenn wir etwas leisten. Aber Phasen der Entspannung und Nichtproduktivität sind enorm wichtig. Die Jugendlichen melden uns oft zurück, dass sie hier lernen, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und mehr auf ihre Bedürfnisse zu hören.“
Text: Irit Bahle, Fotos Eugen Shkolnikov
Info
Die nächsten Termine finden statt am 19.3., 26.3., 2.4. und 9.4.2025, 17:30 bis 19:30 Uhr. Das Angebot ist kostenfrei, eine Anmeldung ist erforderlich unter jugendberatung(at))awo-duesseldorf.de.