Kindern einen sicheren Hafen geben

AWO-Familienwohngruppe Mettmann

Ein Wintertag in Mettmann. 4.30 Uhr – es ist noch dunkel. Der Wecker von Luciano Lio klingelt - wie an jedem Arbeitstag um diese Zeit. Jetzt schnell raus aus dem Bett. Denn gleich beginnt der Tag für ihn und die fünf Kinder im Haus. Lio kümmert sich um das gemeinsame Frühstück, trifft Vorbereitungen für den späteren Start in Schule und Kita – ein Morgen wie bei vielen Familien in Deutschland. Er sorgt für sie wie für seine eigenen Kinder. Lio lebt und arbeitet in einer Familienwohngruppe. Diese Wohngruppe in Mettmann ist eine Besonderheit und zugleich die einzige Einrichtung dieser Art bei der AWO Düsseldorf. Das Ziel: den derzeit dort lebenden fünf Kindern im Alter von sechs bis 12 Jahren ein liebevolles und dauerhaftes Zuhause zu geben. Dafür lebt der Erzieher Luciano Lio mit ihnen zusammen – rund um die Uhr.

Luciano Lio arbeitet seit mehr als 15 Jahren in der Jugendhilfe. Durch Zufall stieß er vor rund einem Jahr auf ein Youtube-Video. Darin wurde ein Nachfolger für seine jetzige Stelle gesucht. Fasziniert von der Idee, Kindern einen stabilen und verlässlichen Lebensraum zu bieten, zögerte Luciano Lio nicht – und bewarb sich. Nach einem ersten Kennenlernen und einem intensiven, mehrstufigen Auswahlverfahren stand fest: Das Konzept der Familienwohngruppe, Luciano Lio als Persönlichkeit und die AWO passen perfekt zusammen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Luciano Lio ist es wichtig, den ihm anvertrauten Kindern gerade in schwierigen Zeiten einen sicheren Hafen zu bieten. Struktur und Routine sind für diese Kinder besonders wichtig, denn viele von ihnen haben diese Stabilität in ihrer Vergangenheit nicht erlebt. Sie geben ihnen Halt und Sicherheit.

Langeweile kommt trotz des geregelten Tagesablaufs in der Familienwohngruppe selten auf. Für Luciano Lio könnte der Tag gerne mehr als 24 Stunden haben. Der Tag ist vollgepackt mit Aktivitäten, von Hausaufgaben über Spielplatzbesuche und gemeinsames Kochen bis hin zu Freizeitaktivitäten, aber auch Arzt- und Therapiebesuchen. Meist endet der Tag von Luciano Lio in den Abendstunden, nachdem gemeinsam gekocht und zu Abend gegessen wurde und alle Kinder ins Bett gebracht wurden. Alleine wäre diese Aufgabe nicht zu bewältigen. Deshalb hat Lio ein professionelles Team an seiner Seite, das ihn unterstützt: Es gibt eine Stellvertreterin, eine Familienpflegerin und auch eine Berufspraktikantin arbeitet in der Wohngruppe. Außerdem kann er auf zahlreiche Beratungsangebote und Einrichtungen der AWO Düsseldorf zurückgreifen. So besucht das jüngste Kind der Wohngruppe eine AWO-Kita in Düsseldorf.

Das Wohl der Kinder steht immer an erster Stelle
Zwei Dinge sind für Luciano Lio klar: Seine Arbeit ist für ihn nicht nur Beruf, sondern seine Berufung. Und das Wohl der Kinder steht für ihn immer an erster Stelle, auch wenn seine eigenen Bedürfnisse manchmal zurückstehen müssen. Dieser Spagat zwischen Arbeits- und Privatzeit gelingt ihm inzwischen sehr gut: Wenn er Zeit für sich braucht, nimmt er sich diese kleinen Auszeiten. Das wird auch von allen Kindern akzeptiert und respektiert. Es ist ein Geben und ein Nehmen.

Luciano Lio lebt und arbeitet in der Familienwohngruppe.

Wie in jeder Familie gibt es in der Wohngruppe natürlich auch kleinere Auseinandersetzungen und Diskussionen, schließlich leben hier sechs individuelle Charaktere zusammen.

„Wir sind wie eine große Patchwork-Familie“ 
„Ich würde uns am ehesten mit einer großen Patchwork-Familie vergleichen. Ein Familienmodell, wie es heutzutage häufig anzutreffen ist. Die Kinder sehen sich als Geschwister und so lösen wir Konflikte, auch immer gemeinsam im Gespräch“, sagt Lio. In der Familienwohngruppe ist immer etwas los: In diesem Jahr sollen die Räumlichkeiten renoviert werden. Für die Kinder ein großes und sehr schönes Abenteuer. Immer an ihrer Seite ist Luciano Lio, ihr sicherer Hafen, der ihnen Halt, Struktur und Geborgenheit schenkt.

Info

Familienwohngruppen sind kleine, familienähnliche, altersgemischte, dezentrale Wohngruppen für Kinder und Jugendliche, in denen eine Fachkraft (mit eigener Familie) in enger Lebensgemeinschaft mit bis zu fünf Kindern lebt und arbeitet. Die Fachkraft wird in der täglichen Arbeit mit den Kindern durch eine weitere Fachkraft unterstützt und in den Urlaubszeiten vertreten. Familienwohngruppen zeichnen sich aus durch eine hohe Betreuungsintensität, die Konstanz und eine enge Verzahnung von Alltag und Pädagogik. Sie ermöglichen den Aufbau intensiver Bindungen, eine zuverlässige Begleitung der Kinder auf Zeit ohne Konkurrenz mit den leiblichen Eltern. Familienwohngruppen bieten ein beschützendes, verlässliches und förderndes Zuhause, sie bieten Sicherheit, Zugehörigkeit, Beziehungen und Förderung der Kinder und Jugendlichen. Die Mitarbeitenden begleiten und unterstützen die Kinder bei der Identitätsfindung, der Entwicklung von Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, beim Erreichen von Zielen in der Schule und Beruf sowie bei der Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung und dem Aufbau einer tragfähigen Lebensperspektive.

Text: Sina Betz, Fotos: Eugen Shkolnikov