Kinderschutz in Einrichtungen

Interview mit Aleksandra Schmidt

Foto: Wolfgang Schmalz

Hauptabteilungsleiterin Beratung – Erzieherische Hilfen

Frau Schmidt, die AWO Familienglobus gGmbH hat Ende des Jahres 2023 ein Institutionelles Schutzkonzept erarbeitet und veröffentlicht. Warum braucht die AWO Düsseldorf ein solches Schutzkonzept?

A. Schmidt: Vor dem Hintergrund vergangener aufgedeckter Missbrauchskomplexe wie in Dessau-Roßlau oder Lüdge bin ich davon überzeugt, dass nicht nur die AWO, sondern jede Institution, jeder Verein, jede Schule, die mit Kindern und Jugendlichen arbeitet und sie betreut, ein institutionelles Schutzkonzept entwickeln und leben sollte. Ein Konzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt und Missbrauch hilft, Mitarbeitende zu sensibilisieren. Es gibt Handlungsorientierung in (Verdachts-)Fällen von (sexualisierten) Übergriffen beziehungsweise Gewalt und es stärkt Kinder und Jugendliche, die sich in unserer Obhut befinden. Ziel des Schutzkonzeptes ist, mögliche Gefährdungen oder Risiken für Kinder und Jugendliche in unseren Einrichtungen frühzeitig zu identifizieren, diesen vorzubeugen, entsprechende Maßnahmen einzuleiten und Vorkehrungen zu treffen.

Das neue Landeskinderschutzgesetz von 2022 (NRW), das die Rechte von Kindern und Jugendlichen weiter stärkt, verpflichtet alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, ein Schutzkonzept zu entwickeln und in die Praxis zu implementieren.

Die AWO hat sich bereits im Jahr 2019 auf den Weg gemacht und hat in einem vierjährigen Prozess das institutionelle Schutzkonzept entwickelt. Das Besondere dabei ist, dass an der Entwicklung des Konzeptes zahlreiche Mitarbeitende beteiligt waren. Dieser Prozess stellt sicher, dass das Konzept mit voller Überzeugung in der Praxis gelebt wird.

Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte des Schutzkonzeptes?

A. Schmidt: Sie liegen auf der Prävention von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt und Sensibilisierung von Mitarbeitenden sowie der Stärkung der Kinder und Jugendlichen durch konsequente Partizipation.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Intervention. Sollte es (Verdachts-)Fälle von sexualisierter Gewalt in unseren Einrichtungen geben, so ist genau beschrieben, wer welche Schritte einleiten und wer einbezogen werden muss. Hierbei helfen übersichtliche und verbindliche Notfallpläne.

Wer ist die Zielgruppe dieser Broschüre?

A. Schmidt: Das institutionelle Schutzkonzept richtet sich in erster Linie an unsere Mitarbeitenden, aber auch an Kinder, Jugendliche und Familien, die wir betreuen und beraten sowie Kooperationspartner. Es ist uns wichtig, dass unser Handeln und unsere Haltung stets transparent sind, denn nur so ist umfassender Kinderschutz sicherzustellen.

Untersuchungen zeigen, dass die Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen seit der Corona-Pandemie zugenommen hat. Wo sehen Sie die Ursachen und wie kann man dem entgegenwirken? 

A. Schmidt: Die Corona-Pandemie hat zu vielschichtigen Belastungssituationen geführt. Angefangen mit Kontaktbeschränkungen, temporärem Wegfall von Betreuungs- und Bildungsinstitutionen, zunehmender Relevanz sozialer Medien, über finanzielle Sorgen, Zunahme psychischer Erkrankungen bis hin zu massiver Verunsicherung und Zukunftsängsten auch bei Kindern und Jugendlichen. Es entstehen schnell Überforderungssituationen im Alltag, die dazu führen können, dass gerade Kinder und Jugendliche schneller Opfer von Gewalt werden. Familien brauchen lebensnahe Aufklärungs- und Entlastungsangebote, Kinder brauchen Erwachsene, die sie über ihre Rechte aufklären, die ihnen zuhören, sie ernst nehmen und ihren Schutz gewährleisten. Es ist erschreckend, dass ein von Gewalt betroffenes Kinder immer noch im Durchschnitt circa sieben Anläufe braucht, bis ihm geglaubt wird. Ein gut funktionierendes und verlässliches Netzwerk aus Fachkräften von Familienbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten vor Ort, Erzieher*innen in Kitas und Jugendhilfeeinrichtungen sowie Lehrer*innen, Therapeut*innen und Ärzt*innen, auf das wir hier in Düsseldorf glücklicherweise zurückgreifen können, kann Gefährdungslagen von Kindern entgegenwirken und Familien bedarfsorientiert unterstützen.

Was raten Sie Menschen, die den Verdacht haben, dass das Wohl eines Kindes in einer Familie bedroht ist? An welche Stellen können sie sich wenden?

A. Schmidt: Jedes Kind hat das Recht darauf, vor Gewalt geschützt zu werden und Hilfe zu erhalten, unabhängig davon, ob es um emotionale oder körperliche Übergriffe, sexualisierten Missbrauch oder Vernachlässigung geht. Es ist wichtig, dass Verdachtsfälle gemeldet werden, dies ist auch anonym möglich. Hier greift die Devise, besser einmal zu viel melden als einmal zu wenig. Das kann im Zweifel ein Kinderleben retten 

Frau Schmidt, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Gespräch führte Sina Betz.

Kontaktdaten Kinderschutzdienst des Jugendamtes:

Bogenstraße 39, 40227 Düsseldorf
kinderschutzdienst(at)duesseldorf.de
Tel.: 0211 / 899 2400, Fax: 0211 / 89 21 698