Überschuldung: Ein Kreislauf, der schwer zu durchbrechen ist
AWO Schulden- und Insolvenzberatung bietet Beratung und Unterstützungsangebote
Interview
Ausgabe 3/2024
Überschuldung und Privatinsolvenz sind Themen, über die selten offen gesprochen wird. Grund sind vor allem Scham und sozialer Druck. Immer mehr Menschen in Deutschland sind betroffen, doch die meisten versuchen, ihre finanzielle Notlage zu verbergen. In unserem Interview spricht eine Betroffene über die persönlichen Herausforderungen der Überschuldung und den Weg in die Privatinsolvenz. Sie möchte anonym bleiben und zugleich Mut machen. Ihre Geschichte zeigt, wie schnell man in die Schuldenfalle geraten kann und wie schwer es ist, wieder herauszukommen. Doch trotz aller Schwierigkeiten gibt es durch die Unterstützung der AWO Schulden- und Insolvenzberatung Hoffnung auf einen Neuanfang.
AWOspiegel: Wie kam es dazu, dass Sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Gab es einen bestimmten Auslöser oder war es eher eine Kette von Ereignissen?
Antwort: Ich würde sagen, es war eine Kette von Ereignissen. Ich habe einen Kredit aufgenommen, dann noch einen und immer so weiter. Dann hat Klarna mir auch noch eine Kreditkarte angeboten – das hört sich ja auch verlockend an. Erst einmal nichts bezahlen, sondern später. Aber am Ende hat man dann gar keinen Überblick mehr. Zu Beginn glaubt man, dass man das hinbekommt. Da man am Anfang des Monats eine Rate tilgen muss, hat man dann aber Mitte des Monates nichts mehr und zahlt dann wieder mit Kreditkarte. Das ist ein Kreislauf, aus dem man dann nicht mehr herauskommt. Irgendwann ging ich dann in Elternzeit und hatte somit auch weniger Geld, dann kam auch noch eine Trennung hinzu. Plötzlich stand ich alleine da und musste alles alleine bezahlen: die Miete, Lebensmittel, Schulsachen für meine Kinder und so weiter. Was viele nicht bedenken ist, dass immer etwas dazwischenkommen kann, mit dem man nicht rechnet. Dann kamen die ersten Mahnungen und anfangs war das noch gar nicht so schlimm. Aber dann wurde es immer mehr. Mein Briefkasten quoll über. Gelbe Briefe, Gerichtsverfahren, Pfändungen, aber auch E-Mails, haufenweise E-Mails, Anrufe, SMS. Das war wirklich richtig massiv.
AWOspiegel: Wird Schulden machen in Deutschland zu einfach gemacht und hat Sie die Situation letztendlich überfordert?
Antwort: Überfordert würde ich jetzt nicht sagen, aber es wird einem sehr einfach gemacht. Ein Klick, dann hatte ich direkt eine Kreditkarte und mein Verfügungsrahmen stieg immer weiter. Das war schlichtweg zu einfach, ohne große Überprüfungen.
AWOspiegel: Wie haben die Schulden Ihr tägliches Leben beeinflusst? Und wie das Leben Ihrer beiden Kinder?
Antwort: Mit Freunden und Familie habe ich nicht darüber geredet. Manche wussten zwar, dass ich einen Kredit am Laufen habe, über Summen habe ich aber nie gesprochen. Ich habe auch immer versucht, meine Kinder von den Problemen fernzuhalten. Ich wollte ihnen ein schönes und sorgenfreies Leben bieten. Wenn sie etwas haben wollten, habe ich das mit Kreditkarte bezahlt und holte lieber nichts für mich. Bei größeren Wünschen, wie Turnschuhen für 120 Euro, musste ich schon Nein sagen, das war einfach nicht machbar. Ich habe zwar immer versucht, eine Lösung zu finden, aber das wurde immer schwieriger, vor allem kurz bevor ich zur AWO gegangen bin.
AWOspiegel: Wie hoch waren Ihre Schulden am Ende?
Antwort: Mit Zinsen – und es kamen ja etliche Zinsen und Inkassogebühren hinzu – waren es rund 60.000 Euro nach einem Zeitraum von neun Jahren. In 2015 habe ich den ersten Kredit aufgenommen.
AWOspiegel: Wie kamen Sie dann zur AWO Schulden- und Insolvenzberatung?
Antwort: Ich habe mir natürlich immer wieder Gedanken gemacht, wie ich diesen Teufelskreis durchbrechen kann. Ich bin ein Mensch, der zu den Sachen steht, die er macht und versuche, alles selbst hinzukriegen. Als alles zu viel wurde, hat mir dann ein Gespräch mit einer guten Freundin die Augen geöffnet: Ich werde nicht alleine aus dieser Schuldenfalle herauskommen. Dann habe ich im Internet nachgeforscht und bin dann relativ schnell auf die AWO Düsseldorf und die Schuldenberatung gestoßen.
AWOspiegel: Wie war dann der erste Kontakt mit der AWO Schulden- und Insolvenzberatung?
Antwort: Die Sorge, dass man Vorurteile haben könnte, ist mir beim ersten Treffen ganz schnell genommen worden. Ich habe mich direkt ernst genommen gefühlt und wusste, hier bin ich gut aufgehoben und an der richtigen Stelle. Als kleine Unterstützung hatte ich zudem eine Freundin mitgenommen, weil ich dachte, dass vier Ohren mehr als zwei hören.
“Man muss mitarbeiten, wenn man aus seinen Problemen raus möchte.”
AWOspiegel: Wie waren dann die ersten Schritte in der Schuldenberatung?
Antwort: Zuerst einmal war viel Arbeit angesagt. Alle Rechnungen, Mahnungen und Forderungen mussten sortiert und nummeriert werden. Das war viel Kleinarbeit, die ich mir aber selbst eingebrockt habe und natürlich war es meine Pflicht, hier vorzuarbeiten – ich habe die Schulden ja auch gemacht. Man muss mitarbeiten, wenn man aus seinen Problemen raus möchte. Bei Rückfragen konnte ich mich immer an Frau Hußmann (Anm. der Redaktion: Leiterin der AWO Schulden- und Insolvenzberatung) wenden. Dann haben wir alle Gläubiger*innen angeschrieben und nach langer Zeit der Vorbereitung meine Privatinsolvenz angemeldet. Dafür war und bin ich Frau Hußmann und der AWO sehr dankbar.
AWOspiegel: Gibt es aus Ihrer Sicht genügend Unterstützung für Menschen mit Schuldenproblematik?
Antwort: Ich finde, dass einem das Schuldenmachen ziemlich einfach gemacht wird. Man macht Schulden und kann dann quasi in die Insolvenz gehen. Außerdem würde ich mir mehr Informationskampagnen zum Thema wünschen und strengere Regeln bei der Kreditvergabe.
AWOspiegel: Wir haben jetzt viel über die Vergangenheit gesprochen, welche Pläne und Hoffnungen haben Sie für die Zukunft?
Antwort: Ich bin erstmal froh, dass die Insolvenz so gut wie durch ist. Ich hatte immer noch Sorge, dass das vielleicht nicht klappen könnte. Durch die Unterstützung in der Schulden- und Insolvenzberatung kann ich inzwischen gut mit Geld umgehen – das war ein richtiger Lernprozess. Ich möchte den guten Weg, den ich jetzt eingeschlagen habe, konsequent weitergehen. Man kann sich nur Sachen kaufen, wenn man Geld hat. Dieses Verhalten möchte ich auch meinen Kindern weitergeben, damit sie selbst nie in so eine Situation kommen. Außerdem kann ich jetzt offen über meine damaligen Probleme und die Situation mit Freund*innen sprechen. Das mache ich auch und helfe so vielleicht anderen, nicht dieselben Fehler zu machen.
AWOspiegel: Was würden Sie anderen Alleinerziehenden oder auch Personen mit Schuldenproblematik raten?
Antwort: Man sollte wirklich nur das ausgeben, was man hat. Auch wenn es schwer ist. Zum Beispiel, wenn man gerade nicht arbeiten kann, in Elternzeit oder plötzlich nach einer Trennung alleinerziehend ist. Falls man in einer Notsituation ist und einen Kredit aufnehmen muss, wie für eine dringend benötigte Waschmaschine, sollte es bei diesem einen Kredit bleiben und es sollten keine weiteren folgen. Wenn das Kind doch schon in den Brunnen gefallen und der Schuldenberg angewachsen ist, sollte man sich auf jeden Fall Hilfe suchen. Zum Beispiel bei der Schuldenberatung der AWO.
AWOspiegel: Wir danken Ihnen sehr für Ihre Offenheit und das Gespräch.
Das Gespräch führte Sina Betz
Schulden- und Insolvenzberatung der AWO Düsseldorf
Wenn Sie finanzielle Schwierigkeiten haben, sind Sie bei der Schulden- und Insolvenzberatung in guten Händen. Dort werden Sie individuell beraten und gemeinsam wird nach geeigneten Lösungen gesucht. Jede Verschuldungssituation ist einzigartig. Die Beratung ist kostenlos und vertraulich.
Unser Angebot umfasst:
- Beratung zur Existenzsicherung und Haushaltsplanung
- Informationen zu Sozialleistungsansprüchen
- Unterstützung beim Erhalt der Wohnung und
- Sicherstellung der Stromversorgung
- Ausstellung von Bescheinigungen zum Pfändungsschutzkonto
- Beratung zum Vollstreckungsschutz
- Erstellung eines realistischen Entschuldungskonzepts
- Verhandlungen mit Gläubigern
- Vermittlung weiterer Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten
- Informationen zum Insolvenzverfahren und Unterstützung
- bei der Insolvenzantragsstellung
Termine nach Vereinbarung
AWO Familienglobus gGmbHSchulden- und Insolvenzberatung
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